Mehr Sicherheit auf deutschen Parkplätzen

Mehr Sicherheit auf deutschen ParkplätzenEs ist ein unterschätztes Problem: Ladungsdiebstahl wird in der Öffentlichkeit, aber vor allem auch von den Behörden nicht sonderlich ernst genommen. Dabei liegt der volkswirtschaftliche Schaden in Deutschland laut Schätzungen im Milliarden-Euro-Bereich. Allein der direkte Schaden bei den von Raub und Diebstahl betroffenen Transportunternehmern soll bei rund 300 Mio. EUR liegen. Hinzu kommen noch Kosten durch Verzögerungen und Produktionsausfälle beim Kunden, für Ersatzbeschaffung oder den kaum abzuschätzenden Schaden durch einen Imageverlust. Gerade Letzterer ist einer der Gründe, dass viele Betroffene einen Diebstahl nicht öffentlich kommunizieren und teilweise nicht einmal den Behörden melden. Entsprechend hoch ist die Dunkelziffer, zumal in den meisten Fällen nicht die ganze Ladung oder gar das Fahrzeug entwendet wird, sondern einzelne hochwertige oder gut weiterverkaufbare Waren.

Diebe schlagen nachts zu

Noch herrschen in Deutschland nicht Zustände wie teilweise in Südfrankreich, Italien oder Teilen Osteuropas. Dort ist der Frachtraub – also zusätzlich die Anwendung oder Androhung von Gewalt meist gegenüber dem Fahrer – an der Tagesordnung. In Deutschland schlagen die Diebe dagegen nachts auf dunklen Parkplätzen, Raststätten oder Autohöfen zu. Nicht zu unterschätzen: Immerhin ein Fünftel der Diebstähle passieren auf dem Betriebsgelände eines Logistikdienstleisters oder Verladers.

Dabei ließe sich mit überschaubarem Aufwand das Risiko von solchen Diebstählen merklich mindern. Bessere und durchgängige Beleuchtung der Parkplätze verbunden möglichst mit einer Videoüberwachung schreckt viele Kriminelle ab. Wenn LKW- und PKW-Stellflächen zudem baulich getrennt sind, fallen unbefugte Personen schneller auf.
Sicherere Stellplätze für LKW in Deutschland sind Tag für Tag und insbesondere Nacht für Nacht wichtig. Die vom Autohof-Verband Veda gestartete Aktion „Premium-Parkplatz“ zeigt den Bedarf. Die Autohof-Betreiber wurden durch Anweisungen der Spediteure an ihre Fahrer aufgeschreckt, bestimmte Anlagen in Deutschland wegen der Diebstahlgefahr nicht mehr anzufahren. So löblich die privatwirtschaftlich organisierte Aktion sein mag, die Politik darf nicht untätig bleiben.

Denn die Situation auf den deutschen Autobahnen ist eine andere: Insbesondere Parkplätze entlang der Haupttransitrouten sind nachts überfüllt. LKW müssen oft auf nicht dafür vorgesehenen Flächen parken. Solche sehr unübersichtliche Lagen machen es kriminellen Banden besonders leicht, auf Beutezug zu gehen. Gefordert ist hier die Politik. Sie muss zügig den Ausbau neuer, sicherer Parkplätze voranzutreiben. Seit Jahren prangern Transportunternehmer und Speditionen die zunehmenden Diebstähle an und weisen auf die Gefahr für Leib und Leben ihrer Fahrer hin. Passiert ist wenig bis nichts. Und die von der EU-Kommission geförderten Hochsicherheitsparkplätze werden kaum angenommen, denn die dort aufgerufen Preise lassen sich durch die meisten Frachtraten nicht abdecken.

Neue Gefahren durch Logistik 4.0

Nicht nur auf dunklen Parkplätzen lauern Gefahren. Zu oft haben Kriminelle leichtes Spiel, wenn sie Online-Frachtenbörsen für ihre Zwecke nutzen und Auftraggeber täuschen, um an hochwertige Ware zu kommen. Gerade angesichts der zunehmenden Bedeutung von solchen Plattformen durch die Vielzahl neuer Angebote wird es für Verlader und Spediteure immer schwerer, zu prüfen, ob eine Scheinfirma hinter einem Angebot steckt.

Vernetzte Waren- und Datenströme sind ein ideales Ziel für Cyber-Crime-Attacken. Hacker finden Daten über die Supply Chain wie auf einem Silbertablett präsentiert in den Plattformen. Dort abgegriffen und in falsche Hände geraten – ein Alptraum für Logistiker.

Algorithmen können helfen, digitale Lücken und Gefahren schnell zu erkennen. Dennoch kommt an einem eigenen Risikomanagement und durchgängigen Kontrollsystem niemand vorbei – auch Start-ups müssen hier firm sein. Auf der sicheren Seite sind vor allem die Auftraggeber, die wissen, welcher Transporteur oder sogar welcher Fahrer an der Rampe steht. Dafür muss er jedoch beim Beauftragen nicht nur auf den Preis schielen.

Sichere Parkplätze gefragt

Der Parkplatz ist von einem 3,2 m hohen Zaun aus Nato-Draht umgeben und hat am Eingang eine Schranke, er wird rund um die Uhr von Sicherheitspersonal und von 16 Kameras überwacht. Als erster deutscher Standort erfüllte der Autohof Uhrsleben an der Autobahn A2 nahe Magdeburg die Kriterien des im Frühjahr 2010 aufgelegten EU-Projekts Setpos und darf seine abgegrenzten LKW-Abstellflächen „Sicherheitsparkplatz“ nennen. Rund 50 LKW-Züge können hier zum Stundenpreis von derzeit 4 EUR beziehungsweise Tagespreis von 30 EUR parken; jedes Fahrzeug wird bei der Einfahrt registriert und plombiert. Mit den gleichen Dienstleistungen für 25 LKW wirbt der Autohof Park Wörnitz an der A7. Der Standort ist Mitglied der Tank-&-Rast-Gruppe und fordert 3,50 EUR pro Stunde oder 25 EUR pro Tag.

Beide Pioniere sind Einzelgänger geblieben. Weitere Sicherheitsparkplätze an den Autohöfen Holzland nahe dem Hermsdorfer Kreuz sowie Gau-Bickelheim nahe Mainz (A61) mussten schließen, weil der private Betreiber 2016 Insolvenz anmeldete. Auch in Belgien, Frankreich, Großbritannien und anderen Ländern wurden mit Setpos bislang nur einzelne LKW-Parkplätze ausgebaut.
Für Kritiker ist dies angesichts der hohen Preise – pro Nacht werden bis zu 100 EUR Parkgebühren verlangt – kein Wunder. „Die Logistikwirtschaft wünscht Sicherheit zu bezahlbaren Preisen für maximal 10 EUR zusätzlich in der Nacht“, zieht Herbert Quabach, Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Autohöfe (Veda), über Gespräche mit Kühne + Nagel und weiteren Speditionen Bilanz.
Auch Uhrsleben und Wörnitz haben das zu spüren bekommen und wiederholt die Preise gesenkt. Jetzt müssen sie sich gegen das neue Veda-Konzept „Premium Parkplatz“ behaupten. Standorte, welche 18 Sicherheitskriterien erfüllen, zeichnet der Verband mit diesem Zertifikat aus.

Einfache Lösungen sinnvoll

Der Bundesverband Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) hat sich mit der Veda-Lösung angefreundet. „Zur nachhaltigen Bekämpfung organisierter Kriminalität und zur Eindämmung von Gelegenheitsdelikten wie Treibstoffdiebstahl oder Planenschlitzen sind bereits einfache Sicherungsvorkehrungen sinnvoll“, sagt Adolf Zobel. Dazu zählt der stellvertretende BGL-Hauptgeschäftsführer Umzäunungen, Beleuchtungen und „nach Möglichkeit“ Videoüberwachung.

Einen Seitenhieb kann sich Zobel jedoch nicht verkneifen. „Die Schaffung von sicheren Parkplätzen darf nicht einfach privaten Investoren überlassen werden“, mahnt der Verbandschef. „Der Staat muss sich seiner Verpflichtung zur Daseinsvorsorge auch in diesem Punkt immer bewusst sein.“ Mit diesem Argument hat bislang das frühere Bundesunternehmen Tank & Rast Forderungen nach weiteren Sicherheitsparkplätzen abgewehrt.

An der Notwendigkeit des Veda-Vorstoßes besteht kein Zweifel. Über 1500 LKW-Ladungen werden offiziellen Statistiken zufolge jährlich in Deutschland gestohlen, hinzu kommen zahlreiche Dieseldiebstähle und andere kleinere Delikte. Nach dem Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, das mit einem entführten LKW-Zug ausgeführt wurde, haben Forderungen nach sicheren LKW–Parkplätzen weiter Auftrieb erhalten.

Mit Premium-Parkplätzen beschäftigt sich der Veda seit rund einem Jahr. Im März 2016 zertifizierte er mit Theeßen (A2), Homburg-Efze (A6) und Bad Rappenau (A7) die ersten drei Standorte. Geschäftsführer Quabach räumt offen ein, dass Fahreranweisungen von großen Logistikunternehmen den Verband hellhörig gemacht haben. Viele Standorte, welche mit Frachtdiebstählen und anderen Vorkommnissen unangenehm aufgefallen sind, durften demnach nur für kurze Pausen im Rahmen der Lenk- und Ruhezeitenregelung angefahren werden. Auch kleinere Delikte wie Schlägereien zwischen LKW-Fahrern genügten dem Vernehmen nach für einen Eintrag in rote Listen.

Technik und gutes Konzept

Quabach legt Wert auf die Feststellung, dass die 70 Mitgliedsunternehmen das Thema LKW-Sicherheit auch vor 2016 ernst genommen haben. „Viele Autohof-Parkplätze wurden damals bereits rund um die Uhr beleuchtet und überwacht“, gibt der Verbandschef zu bedenken. Jetzt wirbt Veda mit einem „abgespeckten Setpos-Programm“: Gut einsehbare Parkplätze mit Beleuchtung und Videoüberwachung, welche durch Wälle oder Gräben vom PKW-Parkraum abgegrenzt sind. „Zäune und Schranken sind wünschenswert, aber nicht zwingend notwendig“, sagt Quabach. Wichtig sind Zufahrtssperren für Transporter und leichte LKW, welche gern für den Abtransport von Diebesgut eingesetzt werden.

Auf ausdrücklichen Wunsch der Logistikwirtschaft werden alle LKW-Parkplätze eines Standorts und nicht nur abgegrenzte Bereiche als „Premium“ klassifiziert. „Andernfalls wären Fahrzeuge mit sensiblen Ladungen eindeutig zu identifizieren“, meint Quabach.

14 Veda-Mitglieder haben bislang Premium-Parkplätze, weitere sechs sollen im Laufe des Jahres eröffnet werden. Wenigstens 25 Standorte will der Verband zertifizieren. Ob dies für ein flächendeckendes Netz, das Großspeditionen wünschen, ausreicht, bleibt abzuwarten. Pro Standort sind Investitionen von rund 100.000 EUR fällig, welche mit bis zu 6 EUR höheren Parkgebühren pro Nacht eingefahren werden. Die Rechnung des Verbands scheint jedoch aufzugehen. Die zertifizierten Standorte melden bislang kaum einen Vorfall. Die Euro-Rastpark-Gruppe, das wohl größte Veda-Mitglied, hat 7 der 18 Standorte als „Premium-Parkplatz“ ausgewiesen. Dem Verband zufolge ist dort seither nur Dieseldiebstahl passiert.

BAG-Marktbericht: Ladungsdiebstähle auf hohem Niveau

Die Zahl der Ladungs- und LKW-Diebstähle bleibt auf einem hohen Niveau. Dies geht aus der Marktbeobachtung des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) hervor, die letzte Woche vorgelegt wurde. In Deutschland wurden 2015 bevorzugt Computer und Laptops, Baumaterial und Werkzeuge, Haushaltsgeräte und Möbel sowie Kleidung entwendet. Bei den meisten der gemeldeten Diebstähle handelt es sich laut BAG um Einbrüche, dabei dominiert das sogenannte Planenschlitzen. Aber auch das Unterschlagen von Ladung in Verbindung mit einer Täuschung des Auftraggebers nimmt zu. Innerhalb Deutschlands wurden 1605 LKW dauerhaft entwendet. Die Entwicklung beim Diebstahl kompletter Ladungsträger war in den Jahren 2006 bis 2015 eher schwankend mit einem Höhepunkt im Jahr 2009, als 2242 Fahrzeuge gestohlen wurden.

Tipp: DVZ-Konferenz „Sicherheit in der Logistik“

Organisierte Banden haben längst erkannt, dass Ladungsdiebstahl lukrativ ist. Trotzdem unterschätzen viele Unternehmen, aber auch Behörden die Gefahr. Auf der zweiten DVZ-Konferenz „Sicherheit in der Logistik“ am 25. April in Düsseldorf geht es nicht nur um Konzepte gegen Diebesbanden, sondern auch um digitale Risiken in der Supply Chain.
www.dvz.de/sicherheit2017

Quelle: dvz.de / Text: Sebastian Bollig (Redakteur für Straßengüterverkehr und nationale Spedition)
Foto: Laif/Photo Alto